Paul Muller: Predigt bei der Gründungsfeier der Communion Saint-Michaël

Deutscher Teil der Predigt von Paul Muller bei der Gründungsfeier der Communion Saint-Michaël

Liebe Geschwister, als Predigttext zu unserer Gründungs- und Aufnahmefeier der Communion Saint-Michaël möchte ich ein Wort Jesu aus dem Johannesevangelium lesen. Es ist das Wort vom Weizenkorn aus Johannes 12. Jesus spricht: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bring es viel Frucht.“

Bei der Vorbereitung dieser Gründungs- und Aufnahmefeier musste ich zurückdenken an die Geschichte unserer Bruderschaft, genauer gesagt an die Geschichte unseres kleinen Konventes der Michaelsbruderschaft hier im Elsass, eine reiche, eine interessante Geschichte. Es gab die Zeit, in der unser Konvent hineinwirken konnte in das Leben unserer elsässischen Kirche. Wir hatten sogar eine Zeit lang unseren Kirchenpräsidenten als Kurator. Ja, wir hatten, wie man sagt auf französisch „pignon sur rue“, eine Art anerkannte Stellung in unserer Landeskirche. 1988, als ich als Bruder aufgenommen wurde, es sind nun 33 Jahre her, waren wir 12 elsässische Brüder. Darunter eine gute Anzahl von liturgisch, literarisch begabten Brüdern. Für den jungen Pfarrer, der ich damals war, war es ein wirkliches Geschenk, mit diesen Brüdern gemeinsam einen Weg gehen zu dürfen, aus ihren Erfahrungen schöpfen zu dürfen.

Aber je mehr die Zeit verging, je mehr spürte man die kulturelle Herausforderung, die Sprachenfrage. Wie sollte es weitergehen? Wie konnte sich unser Konvent weiterentwickeln zwischen den beiden Kulturen, die unsere Geschichte geprägt haben? Die Zahl der Brüder nahm ab. Und die Frage stellte sich immer mehr: wie werden wir den Reichtum, die Erfahrung, die die Bruderschaft gesammelt hat, weitervermitteln können? Bei einem Gespräch über unsere Zukunft sagte mir ein Bruder: „Aus menschlicher Sicht gesehen wird unsere Bruderschaft hier im Elsass zu Ende gehen…“ Ich muss gestehen, mit der Zeit hatte ich mich mit diesem Gedanken abgefunden und trotzdem diese Feststellung tat weh. Ich kam mir vor, mit den übriggebliebenen Brüdern wie „le dernier des mohicans“, einer der letzten Mohikaner. Aber sollte dieses Kapitel unserer elsässischen Kirche wirklich zu Ende gehen?

Nun steht aber da dieses Wort vom Weizenkorn. In ihm malt uns Jesus seinen Weg der Erniedrigung, den Weg von Leiden und Sterben vor Augen. Ich frage mich, ob unsere Bruderschaft hier im Elsass nicht, in einer gewissen Weise, in diesen Prozess hineingenommen wurde. Manches in ihr ist gestorben. Und es sah so aus, als würde unwiderruflich alles zu Ende gehen. Und nun keimt da wieder etwas ganz tief in der Erde. Ein Weizenkorn für sich allein genommen ist ein unscheinbares, geringes Ding. Man kann es gewiss vermahlen, aber dann ergibt es noch nicht einmal einen Bissen Brot. Aber man kann mit einem Weizenkorn auch anders vorgehen. Man kann es in die kalte, dunkle Erde legen. Dort wird es zersetzt. Dort in der Erde muss es sich auflösen, muss es ersterben. Seine Gestalt wird zerstört. Aber dieser Vorgang ist unerlässlich, wenn es Frucht geben soll. Aus einem einzigen Weizenkorn können dann ganz fruchtbare Ähren werden mit 50 oder sogar 60 Ähren! Das Weizenkorn: seine Gestalt wird zerstört. Krankhaftes Absichern, Angst um di Erhaltung des eigenen Seins werden überwunden und die Frucht entsteht. Gott schenkt Leben!

Evangelische Michaelsbruderschaft, Gemeinschaft Sankt Michael, Communion Saint-Michaël: wir wollen heute – bei dieser Gründungs- und Aufnahmefeier Gott dankbar sein für den Weg, den Er uns gemeinsam geführt hat und noch führen wird. Wir danken auch den Brüdern aus der Michaelsbruderschaft und unseren Geschwistern aus der Gemeinschaft Sankt Michael für ihr treues Begleiten, für ihre Freundschaft, für ihr Gebet. Und mit ihnen wollen wir uns an der wachsenden Frucht freuen.

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